Ein Blick in die #Wassistenzwelt
Da der Assistenzjob in unserer Gesellschaft noch nicht allseits präsent ist, möchte ich an dieser Stelle anhand von Bildern einen kurzen Blick in die Assistenzwelt gewähren, um Dir einen ersten Eindruck von der persönlichen Assistenz zu vermitteln. Selbstverständlich kannst Du auf den Fotos nicht jeden Handgriff nachvollziehen, den Du für mich tätigen müsstest, aber Du kannst einen Eindruck erhalten. Mein Tagesablauf ist letztlich so unterschiedlich und vielseitig, wie es vermutlich auch Dein persönlicher Tag ist. Mir ist es wichtig, dass Dir diese Bilder nur als Beispiele dienen, und dass Du offen für ein flexibles und inklusionsorientiertes Alltagsgeschehen mit mir bist.
Ich freue mich auf Deine aussagekräftige Bewerbung.
Inklusion = Freiheit
Assistenz werden, aber wie?
Um bei mir als Assistenz zu arbeiten, durchläuft man ein Drei-Phasen-Bewerbungsverfahren.
1. Phase - online Bewerbung auf www.wassistenz.de
2. Phase - Telefonat und Vorstellungsgespräch
3. Phase - Hospitation (ihr begleitet ein - zweimal eine Schicht)
Wie du siehst, werden meine Mitarbeiter*innen nicht gleich ins kalte Wasser geschmissen. Jede*r Bewerber*in bekommt die Möglichkeit mich und den Job kennenzulernen. Niemandem ist geholfen, wenn sich nach Abschluss der Papierarbeit herausstellt, dass Assistenzjob und Bewerber*in doch nicht zusammenpassen.
Essen anreichen
Wie gestaltet ihr euer Frühstück?
Wenn ich in den Urlaub habe, frühstücke ich gerne sehr ausgiebig und abwechslungsreich. Mir wird das Essen angereicht. Viele sagen auch ich werde gefüttert, wie ein Kleinkind – aber ich nehme das mit Humor. Getränke kann ich mit einem Strohhalm selbstständig zu mir nehmen. Meine Assistent*innen staunen immer wieder welchen Zug ich beim Trinken mit dem Strohhalm drauf habe. Rollstuhlfahrer sollten nämlich viel trinken.
Mund auf Assistentin
Ein Phänomen!
Habt ihr schon mal jemandem das Essen angereicht?
Ist euch schon aufgefallen, dass ihr dabei häufig euren eigenen Mund aufmacht?
Das beobachte ich bei vielen meiner Assistent*innen.
Ist euch das auch schon passiert? Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen!
Kaffeepause
Als private Assistenz wirkt man durch Hilfestellung den Einschränkungen einer behinderten Person entgegen. Das umfasst ganz unterschiedliche Bereiche. Damit du dir das besser vorstellen kannst, habe ich mal ein ganz konkretes Beispiel für dich mitgebracht:
Mir kann und sollte man keine heiße Tasse Tee in die Hand drücken... Durch meine Spastik würde ich zu sehr wackeln und mich ruckzuck verbrennen. Deshalb benötige ich z.B. beim Trinken Hilfestellung. Meine Assistenz macht Tee für mich fertig und hält anschließend die Tasse, damit ich an den Strohhalm komme.
Gute Nacht
Wie geht ihr zu Bett?
Bei mir würde es zu euren Aufgaben gehören, mich abends bettfertig zu machen und ins Bett zu legen. Morgens würdet ihr mich wieder herausholen inklusive Morgenwäsche, Zähneputzen, Rasieren, Toilettengang, etc.. Alles was ihr selbst bei euch auch machen würdet, wird bei mir auch gemacht. Ihr benötigt keine Pflegeerfahrung. Alle neuen Assistent*innen werden von mir angeleitet. Probiert es einfach mal aus und schaut bei mir rein.
Urlaubsvorbereitung - Alles eine Frage der Technik
Bevor ich mit meinen Assistent*innen in den Urlaub fahre, begleiten diese mich zur Physiotherapie. Dort wird vermittelt, wie man verschiedene Alltagsbarrieren bewältigen kann.
So können mich zum Beispiel selbst zierliche Mitarbeiter*innen in eine Badewanne setzen und auch wieder rausholen, ohne sich einen Bandscheibenvorfall zuzuziehen. Sind die Assistent*innen in der Technik (Kinästhesie) geübt, lassen sich Ein- und Ausstieg auch ohne Haltegriff bewerkstelligen. Auf die rutschfesten Matten kann man aber auch trotz der besten Technik nicht verzichten.
Rollstuhltraining
Bei der Auswahl der Mitarbeiter*innen meines Assistenzteams steht die Person als Ganzes im Vordergrund. Du benötigst keinerlei Vorkenntnisse.
Dinge wie zum Beispiel den Umgang mit dem Rollstuhl oder die Hilfe beim Transfer ins Auto lernst du bei der Einarbeitung. Kleine Teamaktionen, wie auf dem Bild zu sehen, helfen dir, dich in der Anfangszeit einzugewöhnen. Hier üben wir den Rollstuhl über eine Bordsteinkante zu bewegen. Und das aus beiden Perspektiven. Dadurch können sich neue Mitarbeiter auch in meine Lage versetzen. Viele fühlen sich aufgrund des Kontrollverlusts zunächst ein bisschen unwohl, ich hab mich schon länger dran gewöhnt...
Rollstuhltraining mit Assistent*Innen
Beim Rollstuhltraining wird das Überwinden von verschiedenen Hindernissen geübt. Überraschend für viele Neulinge ist zum Beispiel, dass Rolltreppen beispielsweise deutliche Vorteile und eine höhere Mobilität ermöglichen als normale Treppen.
Die längste Rolltreppe die ich je benutzt habe, befindet sich in Prag. Das hat mega Spaß gemacht, da sie auch deutlich schneller fährt, als Rolltreppen bei uns. Man muss sich nur trauen! Das Rauf- und Runterkommen sind die kritischen Momente. Dank des Trainings für meine Assistenten ist das kein Problem. Man braucht im Vergleich zu herkömmlichen Treppen sehr viel weniger Kraft.
Ich bin immer wieder erstaunt, wenn meine Assistent*innen nach dem „Rollstuhl-Seminar“ sagen: „Man, musst du ein Vertrauen in uns haben.“
Hindernisbewältigung muss gelernt sein. Erst wird die Technik trainiert und anschließend in die Praxis umgesetzt. Besonders im Urlaub ist ein sicherer Umgang mit dem Schieberollstuhl sehr vorteilhaft und erleichtert so einige Situationen.
Geldautomat
Dreimal darfst Du raten, wer zuerst am Automaten stand...
Immer wieder geht es den Leuten um mich herum nicht schnell genug. Es wird sich vorgedrängelt, mein Weg mit dem Fahrrad geschnitten oder Ähnliches. Vielleicht brauche ich mit dem Rollstuhl manchmal länger, aber es liegt in niemandes Hand zu entscheiden, dass ich für etwas “zu lange” brauche. Ich habe das gute Recht, mir so viel Zeit für etwas zu nehmen, wie ich nun mal brauche!
Wasserratte
Wenn mich meine Assistent*innen für das Schwimmen fertigmachen - das bedeutet Neoprenanzug anziehen, um nicht zu frieren, Schwimmflügel, Taucherbrille und Schnorchel aufsetzen - kann ich frei schwimmen. Meine Assistent*innen brauchen keine Rettungsschwimmerausbildung, um mich zu begleiten. Sie sind zwar mit im Wasser, können sich aber frei bewegen.
be water my friend.
Assistenz mit ins Krankenhaus nehmen
Seit dem 1. November 2022 wurde eine weitere Gesetzeslücke geschlossen (§ 11 Absatz 3 SGB V; § 34 Absatz 2 Satz 2 SGB XI; § 63b Absatz 4 SGB XII). Seitdem dürfen Assistent*innen, die bei einem Pflegedienst angestellt sind, ihren Kunden ins Krankenhaus begleiten. Das war bis dato nur im Arbeitgebermodell gestattet, aber jetzt ist es auch im Anbietermodell erlaubt. Es gibt nur 2 Voraussetzungen: Der Kunde muss sprachlich beeinträchtigt sein oder Ängste vorm Krankenhaus haben.
Das Antragsverfahren ist leider sehr zeitaufwändig, man muss ein Attest vom Arzt oder dem Krankenhaus bekommen, dass sie die Assistenz befürworten und dann das ganze bei der Krankenkasse bzw. dem Sozialträger beantragen. Ich hab es gerade am eigenen Leib durchgemacht und war sehr, sehr erleichtert, dass es diese Möglichkeit jetzt gibt, da der Pflegenotstand im Krankenhaus nochmal deutlich verschärfter ist, als in der ambulanten Pflege. Ich war sehr froh, dass meine Assistentin die gesamten fünf Tage bei mir sein konnte, vielen Dank dafür!
Urlaubsplanung
Die Urlaubsvorbereitung steht vor der Tür.
Ich frage in meinem Team, wer Lust hat mich zu begleiten und wir loten gemeinsam aus, ob die zwei dafür notwendigen Assistent*innen harmonieren. Natürlich müssen wir uns auch auf ein Reiseziel einigen.
Wenn diese Vorbereitungen abgeschlossen sind, beginnt für mich die Reiseplanung. Das heißt, es wird eine Route ausgesucht und im Reisebüro meines Vertrauens Flug, Unterkunft und Mietwagen gebucht.
Meine Leidenschaft: Ausflüge
Eine Batterieladung bringt mich bei einer Geschwindigkeit von etwa 10km/h ca. 50 Kilometer weit. Für die Assistent*innen in meinem Team, die keine passionierten Marathon-Jogger sind, stehen daher in Bielefeld und Hamburg Fahrräder parat. Viel weiter komm ich an einem Tag allerdings nicht: Während ein E-Auto an einer Ladestation nach 4-5 Stunden genug Saft für 500km hat, braucht mein E-Rolli 14 Stunden für ein Zehntel der Reichweite.
Falls jemand also Kontakt zu Elon Musk bzw. Tesla hat: Ich hab da einen Vorschlag für einen ganz neuen Absatzmarkt.
E-Rollstuhl-/Fahrradtour
Ich werde im Urlaub von meinen Assistent*innen auf dem Fahrrad begleitet, welches wir uns vor Ort ausleihen. So erkunden wir die Landschaften und Städte gemeinsam und genießen die Urlaubstage bei leckerem Eis, einem Zwischenstopp in einem Café usw.
Meine Assistent*innen stehen mir bei unseren Ausflügen mit kleinen Handgriffen wie dem Auftragen der Sonnencreme, Anreichen von Taschentüchern, Aufsetzen der Sonnenbrille etc. zur Seite.
Ausflüge
Ich bin nicht der große Museumsgänger, aber das Klimahaus in Bremerhaven hat es mir schon angetan. In der Regel frage ich meine Assistent*innen worauf sie im Urlaub Lust haben und dann wird geguckt, wie wir das gemeinsam umsetzen können.
Oft nehme ich in solche Häuser meinen E-Rollstuhl nicht mit, um noch barrierefreier unterwegs zu sein. Ich werde dann von meinen Assistent*innen geschoben.
Handreichung
Hier wird mir von meiner Assistentin ein Kopfhörer ans Ohr gehalten, während sie sich selbst auch einen ans Ohr hält. Ihr seht, an so einem Tag brauche ich viele kleine, unterstützende Handgriffe.
Rücksichtnahme
Viele Menschen unterschätzen die Geschwindigkeit von E-Rollstühlen. Sie gehen davon aus, dass Rollstuhlfahrer*innen sehr langsam sind und versuchen immer wieder noch kurz vor einem wegzuhuschen. Einige Rollstühle können bis zu 10 km/h schnell fahren, also deutlich schneller als ein Fußgänger.
Aus meinen Erfahrungen heraus würde ich jeden zweiten, der vor meinem E-Rollstuhl herläuft, schmerzhaft erwischen, wenn ich nicht aufpassen würde.
Es ist nicht ungewöhnlich, wenn ein E-Rollstuhl ohne Person 150 kg schwer ist. Ihr könnt euch vorstellen, welche Wucht dahintersteckt.
Wenn alle ein bisschen aufmerksam durch die Gegend laufen und rollen, gibt es keine bösen Überraschungen und Schreckmomente.
Linienbus-Rampe
Die meisten Linienbusse haben mittlerweile eine eingebaute Rampe für Kinderwagen und Rollstuhlfahrer. Diese Busse sind von Weitem erkennbar, da ein blaues Rollstuhlsymbol an der Front angebracht ist. Es kommt auf die Innenraumaufteilung an und wie viele Plätze zur Verfügung stehen.
Eigentlich sollte der Busfahrer die Rampe bedienen. Aber nach meinen Erfahrungen geschieht das sehr selten. Entweder übernehmen das meine Assistent*innen oder nette und aufmerksame Mitreisende, die die Rampe ausklappen.
Stehplatz im Linienbus
Eigentlich sollten sich Rollstuhlfahrer aus Sicherheitsgründen im Bus gegen die Fahrtrichtung platzieren. Das habe ich aber noch nie gesehen.
Vor einiger Zeit wurden die Elektromobile für Senioren im öffentlichen Nahverkehr verboten. Der Grund hierfür ist, dass sie schneller umkippen als ein E-Rollstuhl, da der Schwerpunkt höher liegt.
Ich wurde schon einmal aus dem Bus geschmissen mit der Begründung, ich hätte ein Nummernschild.
Straßenverkehrstaugliche Rollstühle seien angeblich zu schwer, um im Bus transportiert zu werden. Im Internet habe ich hierzu noch keine Aussage gefunden.
Deshalb gibt es in Bielefeld die Möglichkeit seinen E-Rollstuhl zertifizieren zu lassen. Nach erfolgreicher Sichtung bekommt man von moBiel einen Aufkleber, der einen, trotz Nummernschild, berechtigt Bus und Bahn zu nutzen.
Bahnmobilität
Hast Du dich schon Mal gefragt, wie Rollstuhlfahrer*innen in den Zug kommen?
Wenn ich verreisen möchte, melde ich die Fahrt über eine Hotline bei der DB an.
Dann wird eine kleine Hebebühne am passenden Zug postiert. Wenn der Zug einfährt, geht das Gesuche nach der richtigen Tür los. Je nachdem, um welchen Zug es sich handelt, wird dann eine Rampe ausgeklappt oder die Hebebühne benutzt.
Obwohl ich oft höre, dass Rollifahrer*innen Schwierigkeiten oder Sorgen haben, muss ich sagen, dass es für mich als Viel-Fahrer immer gut geklappt hat. Selbst spontane Reisen liefen überraschend gut!
Die Anmeldung könnte einfacher sein und manchmal hakt es ein wenig dabei die richtigen Türen zu finden, aber bei Zug-Verspätungen ist die DB flexibel und kümmert sich um die notwendigen Planänderungen.
Weihnachtskalender
Eine lange Tradition wird dieses Jahr fortgeführt:
Unser Weihnachtskalender.
Am Kalender können sich alle mit einem oder mehreren Bildern beteiligen. Hiermit ein großes Dankeschön an alle, die dazu beigetragen haben! Die Bilder in den Umschlägen zeigen Erlebnisse mit meinem Team aus dem vergangenen Jahr und bei jedem Öffnen kann ich somit in schönen Erinnerungen schwelgen. Der Kalender bleibt bis mindestens März hängen, sodass sich auch alle meine Assistent*innen daran erfreuen können.